DAV

27.04.2018 [Ausbildung]

Erste Hilfe Outdoor 2018 - 10 Übungsleiter/innen trainieren den Ernstfall

An einem kalten Wochenende im April auf der Kansteinhütte: 10 Trainer/innen und Jugendleiter aus unterschiedlichen Sektionen Norddeutschlands trainierten den Ernstfall: Verletzte und kranke Personen am Berg, womöglich in alpiner, schlecht zugänglicher Umgebung, gepaart mit einer Teilnehmergruppe, die teils wenig hilfreiches Verhalten an den Tag legt bzw. sogar zusätzliche Belastung darstellt.

Neben den üblichen Erste-Hilfe-Maßnahmen haben Kursleiter/innen mit einer Gruppe Kletterer am Berg unterwegs zusätzliche Herausforderungen zu meistern

  • die „Gegebenheiten am Berg“ (Rettung aus dem Gefahrenbereich)
  • die „Einbeziehung der Gruppe“ (ggf. überforderte Gruppenmitglieder)
  • die Tatsache, dass ggf. kein Notruf abgesetzt oder professionelle Hilfe erst nach einem längeren Zeitraum erwartet werden können

Wichtig ist zunächst, eine Situation richtig einzuschätzen. Für den notwendigen Überblick braucht es schon mal zehn Sekunden, bevor nach Erledigung von Selbstsicherung, Gruppensicherung und Absichern der Gefahrenstelle die Situation bei den Verletzten erkundet wird. Man stelle sich eine komplexe Unfallsituation mit mehreren Verletzten vor – das schafft man nicht alleine. Da müssen auch Aufgaben an die Gruppenmitglieder delegiert werden.

Als Unterstützung für die richtigen Handlungen in logischer Reihenfolge hat jeder Teilnehmer der Fortbildung ein kleines Kärtchen bekommen, auf dessen Vorder- und Rückseite der sogenannte „Erste-Hilfe-Algorithmus“ abgedruckt ist. Der zeigt je nachdem ob ein Verletzter ansprechbar oder nicht ansprechbar ist, was in welcher Reihenfolge weiter zu tun ist. Mit diesem Kärtchen in der Tasche konnten die durchzuspielenden Szenarien beginnen. Und davon gab es reichlich.

Mit ständig wechselnden Rollen (Gruppenleitung, Gruppenmitglied, verletzt, krank) durften wir unsere Kenntnisse und Fähigkeiten in verschiedensten Szenarien erproben und vertiefen. Es galt Herzinfarkt, Hirnschlag, Knochenbrüche, innere Verletzungen und Unterzuckerung zu erkennen und daraus die richtigen Entscheidungen abzuleiten.

Wir lernten wertvolle Eselsbrücken wie den Disko-Dreiklang „Anschauen – Ansprechen – Anfassen“ oder mit „Bauch / Beine / Po“, dass Verletzungen mit Blutverlust in diesen Bereichen schnell lebensbedrohend werden können.

Dank an Ausbilder Tom aus München, der uns mit vielen zu spielenden Situationen konfrontiert hat.

Die Phantasie bei den Szenarien war scheinbar grenzenlos. So stieß die Gruppe bei der Abschluss-Übung auf eine sehr aggressiv miteinander streitende Familie, wobei der Vater vom Sohn so geschubst worden war, dass der - anscheinend verletzt - am Baum gelehnt saß und sich kaum äußerste. Dieser Verletzte hat die Gruppenleitung zum Einschreiten veranlasst. Dabei hat ein Teilnehmer (geheime Rollenzuordnung von Tom) die Situation mit dem Sohn weiter eskaliert und damit einen Teil der Gruppenleitung völlig beschäftigt, so dass dieser sich nicht um den wirklich Verletzten kümmerte. Inzwischen geriet die Mutter - laut schimpfend - in Hyperventilation. Dass der zweite Teil dieser Gruppenleitung als geheime Rollenzuordnung die eigene Überforderung ‚verordnet bekommen‘ hatte, machte die ganze Situation zusätzlich spannend. Nicht zuletzt aus diesem Szenario haben wir alle auch über uns selbst einiges erfahren und uns ein Stück weit besser kennengelernt.

Dank auch an den DAV Landesverband Nord für die Übernahme der Kursgebühren und der Übernachtungskosten in der Kansteinhütte.

Die Hütte mit ihrer Umgebung hat sich übrigens als sehr gut geeignet erwiesen, sowohl für die vielen Draußen-Szenarien und die Drinnen-Übungen in engen Räumen als auch für das Gemeinschaftsleben überhaupt.

10 Trainer/innen und Jugendleiter haben viel mitgenommen von der Fortbildung und sind jetzt noch besser gerüstet für einen hoffentlich nie eintretenden Ernstfall.

Text und Fotos: Rosemarie Schilling

Foto 1: Verletztentransport mit Rucksack + Stock, hier: 1 Person trägt die Verletzte

Foto 2: Verletztentransport mit Rucksack + Stock, hier: 2 Personen tragen den Verletzten

Foto 3: Verletztentransport liegend, hier: 6 Personen tragen den Verletzten

Foto 4: Rucksackverband bei Schlüsselbeinbruch

Foto 5: Wiederbelebungsmaßnahmen in beengtem Raum