DAV

100 DAV Nord Portraits

Menschen im Norden: Bergsteigen und Klettern im DAV

Unsere zweite Vorsitzende Verena Dylla hat über die letzten Monate einige der Menschen interviewt und portraitiert, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten das Bergsteigen und Klettern im Norden und die Arbeit des DAV Landesverbandes und darüber hinaus maßgeblich mitgestaltet haben.
Hier sind sie (in alphabetischer Reigenfolge):

 

 

Nuria Brockfeld – der Blitz aus Osnabrück

Nuria, 17 Jahre, ist Mitglied der Sektion Osnabrück und unseres Nationalkaders Klettern.

Frage: Seit wann kletterst Du eigentlich?
Nuria: Ich habe mit 10 Jahren angefangen, zum Anlass von Kindergeburtstagen, in meiner Heimatstadt Osnabrück.
Frage: Was fasziniert Dich am Klettern? Warum hast Du Dich nicht für Tennis, Schwimmen oder Leichtathletik entschieden?
Nuria: Das Klettern ist wie ein Rätsel, das ich lösen muss. Die Lösungsansätze sind immer anders; ich muss immer andere Bewegungen ausführen, um das Rätsel zu lösen. Ich bin spezialisiert auf Speed. Speed ist für mich wie Fliegen. Und man sieht direkt, wer gewonnen hat, wenn man oben ankommt. Natürlich kann man auch über sich selbst gewinnen, wenn man seine eigenen Rekorde bricht. Die Speedroute ist immer gleich, deswegen weiß man auch genau, wenn man schneller geworden ist. Was mir auch am Klettern gefällt: man braucht seinen gesamten Körper zum Klettern, den Kopf, jedes Körperteil.
Am Klettern schätze ich auch die Gemeinschaft. Beim Speedklettern selbst braucht mein keinen Partner, weil man am Auto-Belay (Selbstsicherung) unterwegs ist.
Frage: Was Betrachtest Du als Schwierigkeiten beim Klettern?
Nuria: Beim Speedklettern kommt es auf die Schnellkraft an. Man muss hochschnellen, anreißen und abschließen. Vor allem muss man flüssig klettern. Mein Klettern ist auf Speed konzentriert, zu
80 %, außerdem bouldere ich. Da übe ich Fußtechnik, ich springe beim Bouldern vehement an die Wand, das nützt mir dann auch für Speed. Ab 2024 wird Speed in den Olympischen Spielen Einzeldisziplin, insofern kann ich mich weiterhin darauf konzentrieren.
Frage: Wie beurteilst Du die Verletzungsgefahr beim Klettern?
Nuria: Beim Bouldern ist die Verletzungsgefahr hoch, dadurch dass es im echten Fels keine Griffe gibt, an denen man sich festhalten kann, sondern nur kleine Leisten, vielleicht 15 mm breit. Man kann sich beim Bouldern leicht am Ringband eines Fingers verletzen, in der Sehne, wenn man fällt. Beim Speed dagegen klettern fällt man nur kurz, weil man ja vom Seil gehalten wird, man kriegt höchstens eine kleine Schürfwunde ab. Beim Bouldern muss man von vornherein die Absturztechnik lernen.
Frage: Wie trainierst Du?
Nuria: Ich trainiere ich Köln mit den Nationaltrainern als Mitglied der Nationalmannschaft. Alle Sportler sind Mitglied des DAV.
Frage: Was sind Deine größten Erfolge?
Nuria: Der Saisonstart 2021 war ruppig. Ich war verletzt aufgrund von Überlastung und zwar an der Bizepssehne. Die Heilung dauerte 1 ½ Monate. Dann gewann ich aber den Deutschen Jugendcup im Speed in Darmstadt. Auch den Europacup (Jugend) in Puurs (Belgien) konnte ich für mich entscheiden. In zwei Wochen findet der Europa-Cup in der Slowakei statt, da trete ich wieder an.
Frage: Wirkt sich der Klettersport in irgendeiner Weise auf die Psyche aus?
Nuria: Ich denke, ich bin dadurch viel selbstbewusster und offener geworden. Dazu kommt, dass ich jetzt im Sportinternat in Köln lebe. Das bringt eine größere Selbständigkeit. Im Rahmen der Sporttätigkeit reist man viel und kommt viel mit anderen Menschen zusammen.
Frage: Was ist Dein Ziel im Leben?
Nuria: Ich möchte mich schon voll meinem Sport widmen, dem Klettern, d.h. Profisportler werden. Als Mitglied des Nationalkaders stehen mir viele Möglichkeiten offen. Im Grunde kann ich alles studieren, was mich interessiert, solange es einen Zusammenhang mit Sport hat. Mich interessiert vor allem Sportpsychologie. Dann könnte ich meine Erfahrungen und Erkenntnisse an andere Athleten weitergeben.

 

Claudia Carl: „Inklusion - das ist meins“

Claudia Carl war viele Jahre lang Ausbildungsreferentin der Sektion Hannover, seit 2012 übt sie dort das Amt der 2. Vorsitzenden aus; im Landesverband Nord ist sie seit 8 Jahren im Vorstand, zuständig für Ausbildung und seit kurzem auch für Inklusion. Die promovierte Chemikerin ist ein echtes Arbeitstier.

Frage: Wie bist Du zum DAV gekommen?
Claudia: Eigentlich wollte ich als Schülerin an einer Skifreizeit mit dem DAV teilnehmen, die hat sich nicht realisiert, ich nahm dann an einem Kletterkurs teil. Das hat mich sofort fasziniert; ich klettere noch heute, d.h. seit etwa 50 Jahren.
Frage: Warum Klettern, warum nicht Tennis oder Reiten?
Claudia: Als ich das erste Mal vor einem Felsen stand und hinaufblickte, dachte ich, es ist für einen Menschen unmöglich, hier hoch zu kommen. Aber es ging. Da war’s um mich geschehen. Die Bewegung macht Spaß, man ist zufrieden mit sich, wenn man eine Route geschafft hat, und denkt auch „vielleicht geht ja noch mehr“. Ich habe also mit dem Naturklettern angefangen, aber inzwischen macht mir das Klettern in der Halle auch Spaß. Allerdings ist für mich das Felsklettern natürlicher. Ich suche meine „Griffe“ selber aus – ich bin nicht gerade groß, und die Griffe in der Halle sind bei einigen Routen für mich kaum erreichbar.
Frage: Du bist doch auch Bergsteigerin. Erzähl ein bisschen.
Claudia: Ich unternehme sehr viele Bergtouren in den Alpen, war auch viele Jahre weltweit unterwegs. Mein größtes Erlebnis war die Besteigung des 8.035 m hohen Gasherbrum 2 in Pakistan, die ich für mich und drei Freunde selbst organisierte. Als wir das Basislager auf 5000m Höhe nach 10 Tagen erreichten, war ich schon sehr berührt, dass es so gut funktionierte. Der Gipfel war dann natürlich das Highlight.

Frage: Hast Du selbst schon einmal eine lebensbedrohliche Situation erlebt? Denn wie man sich dann verhält, wird doch auch in den Kursen besprochen und gegebenenfalls geübt.
Claudia: Ja, einmal wurde mein Seil durch einen herabfallenden Stein gekappt. Das war das einzige Mal. Selbst im Schneesturm in Pakistan hatte ich nicht das Gefühl, mein Leben sei unmittelbar bedroht. Es gibt Situationen, die man nicht trainieren kann, z.B. das Verhalten im Schneesturm. Da hilft nur Ruhe bewahren, und - wie in der Situation - eine ungemütliche Nacht ertragen. Aber anderes kann gut in Kursen geübt werden wie z.B. Standplatzbau und Abseilen, auch um gar nicht erst in eine bedrohliche Lage zu kommen.
Frage: Was sind Deine wesentlichen Aufgaben als Ausbildungsreferentin beim Landesverband Nord?
Claudia: Zum einen bin ich die Verbindung zum Bundesverband in München. Wir, d.h. die Ausbildungsreferent/innen der norddeutschen Sektionen, treffen uns einmal im Jahr, ich nehme Themen der Sektionen auf und leite sie an den Bundesverband weiter. Ich organisiere sektionsübergreifende Kurse wie z.B. Outdoor Erste-Hilfe-Kurse als Pflichtfortbildung, die auch in unseren Mittelgebirgen stattfinden können. Für Niedersachsen habe ich erreicht, dass DAV-Kurse als Bildungsurlaub anerkannt werden. Das ist ein großes Thema, da die Ausbildungskurse zum Trainer und Trainerin in C 2 Wochen und mehr in Anspruch nehmen, eine Zeit, die dann oft vom Jahresurlaub genommen werden muss. Die Regeln in jedem Bundesland sind sehr komplex und unterschiedlich. Inzwischen hat auch die Sektion Hamburg und Niederelbe erreicht, dass DAV Ausbildungskurse als Bildungsurlaub anerkannt werden.
Ein weiteres Thema, das mich in den letzten Jahren sehr beschäftigt, ist Inklusion. Seit 2016 wird vom Bundeslehrteam des Bundesverbandes die Ausbildung zum Trainer und zur Trainerin C Klettern für Menschen mit Behinderung angeboten. Ich habe als eine der ersten diese Ausbildung gemacht. Inzwischen haben wir im Norden in 6 -7 Sektionen ca. 25 spezialisierte Trainer/innen, z.T. noch in Ausbildung. Sie führen keine Kurse im eigentlichen Sinne mit Behinderten durch, sondern bieten diverse Möglichkeiten an, dass Behinderte mit sehr unterschiedlichen Einschränkungen auch den Bergsport, meist Klettern in der Halle ausüben können.
Frage: Was bringt es Behinderten zu klettern?

Claudia: Das Klettern macht ihnen Spaß, sie freuen sich über das Erreichte, genauso wie die völlig „Normalen“. Sie haben ebenso den Ehrgeiz, etwas zu schaffen. Und es hat positive Auswirkungen auf die Gesundheit. Insbesondere den MS-Erkrankten tut das Klettern gut; hierzu gibt es sogar wissenschaftliche Untersuchungen.
Frage: Wie siehst Du die Zukunft des Ehrenamtes?
Claudia: Es wird schwieriger, Personen für das Ehrenamt zu finden. Das liegt gar nicht daran, dass sich niemand dafür interessiert, sondern eher daran, dass der zeitliche Aufwand zunimmt. Die Welt, Verfahren, Strukturen, Gesprächspartner, alles wird komplexer. Das Ehrenamt muss mit dem Privatleben vereinbar sei. Viele wollen sich auch nicht gern langfristig binden, aber wir brauchen auch engagierte Personen, die mit Herzblut dabei sind, und dabei die erforderliche Zeit aufbringen können und wollen.      
Frage: Wie siehst Du die Zukunft Deines Bereichs Ausbildung?

Claudia: Klimaschutz wird eine zentrale Rolle spielen. Für uns bedeutet das zu überlegen, welche Ausbildung sich auch ortsnah gestalten lässt, welche in den Alpen durchgeführt werden muss.  Dies ist eines der Themen des Klimaschutzkonzeptes des DAV, an dem gerade gearbeitet wird. Da wird sich einiges verändern.

Fazit: Trotz des zeitlichen Aufwandes macht mir meine Aufgabe viel Spaß. Ich kann Ideen einbringen und mitgestalten. Die Inklusion wird bei meiner Arbeit in den nächsten Jahren einen größeren Raum einnehmen. Schon als ich mit der Ausbildung 2016 begann, erkannte ich „Das ist meins“.        

 

Barbara Ernst - Eine Vorsitzende aus Leidenschaft


 

Seit 2004 steht Barbara Ernst unserem Landesverband vor, zunächst (bis 2008) als 2. Vorsitzende, seitdem als 1. Vorsitzende; bis 2016 in der Vorgängerorganisation Nordwestdeutscher Sektionenverband sowie im Landesverband Niedersachsen. Seit 2011 ist Barbara Ernst auch Vertreterin unserer Region im Verbandsrat, einem satzungsgemäßen Organ des DAV Bundesverbandes, dessen wichtigsten Aufgaben es sind, Grundsatzfragen und Entscheidungen von verbandspolitischer Bedeutung zu beraten sowie mittel- und langfristige Zielsetzungen und Aufgabenschwerpunkte zu erarbeiten. Der Verbandsrat berät das Präsidium und kann in die Hauptversammlung eigene Beschlussvorlagen einbringen.  

Frage: Du bist ja seit Deiner Kindheit, seit 1964, Mitglied des DAV. Was ist Deine früheste Erinnerung an den DAV?
Barbara Ernst: An den Wochenenden besuchten wir mit der Familie regelmäßig die alte Malepartushütte der Sektion Hildesheim. Dort trafen wir auf unterschiedliche Gruppen; alle Altersklassen waren vertreten. Die Hütte war rustikal eingerichtet, sie verfügte über kein fließend Wasser; das Wasser wurde mit Kannen von einer nahe gelegenen Quelle geholt, gekocht wurde auf einem alten Herd mit Holzbefeuerung. Damals hatte ich am Samstag noch Schule, so brachen wir erst gegen Samstagmittag auf. Wir bildeten Fahrgemeinschaften, um in den Harz zur Hütte zu fahren. Später begleitete ich nicht mehr die Eltern, sondern fuhr mit der Jugendgruppe für Skikurse, die zwischen Weihnachten und Silvester stattfanden. Später war ich es, die diese Jugendskikurse organisierte.     
Frage: Du übst eine anspruchsvolle Funktion aus. Wenn ich da bspw. an die unterschiedlichen Ansprechpartner denke: die 17 Sektionen, der Bundesverband, die Landessportbünde, die Behörden ….
Barbara Ernst: Ja, die Ansprechpartner sind zahlreich, die Niedersächsischen Landesforsten, die Obere und die Unteren Naturschutzbehörden usw. Es kommen die unterschiedlichsten Themen auf einen zu. Ich habe in meiner Zeit als Vorsitzende des Landesverbandes sehr viel gelernt. Bis ich mit allen Themen vertraut war, hat es schon eine gewisse Zeit gedauert. Ich habe zwischenzeitlich ein breites Grundwissen aufgebaut und kann neue Informationen einordnen und ggfls. mit den verschiedenen Bereichen verknüpfen.
Frage: Inwieweit haben sich während der Dauer Deiner Tätigkeit Schwerpunkte verlagert?
Barbara Ernst: Es gibt eine klare Ausrichtung auf den Leistungssport (ursprünglich Wettkampfklettern). Dies liegt einmal am leidenschaftlichen Engagement der jeweils verantwortlichen Referenten, zum anderen am Aufkommen der Kletterhallen und letztlich an der Tatsache, dass Klettern fortan eine olympische Sportart ist. Auch der Bundesverband hat den Leistungssport vorangetrieben.  
Ursprünglich war ein Hauptanliegen des LV, als Ansprechpartner im Naturschutz zu fungieren. Das ist auch heute noch so. Der Kontakt zu und die Zusammenarbeit mit den Behörden, inklusive den Forsten, wie auch mit den Sportbünden, ist eminent wichtig für den Erfolg unseres Wirkens.
Frage: Gab es schwierige Situationen, wo eine Lösung nicht leichtfiel?
Barbara Ernst: Die gab es schon, aber sie sind häufig in den Persönlichkeiten der Handelnden begründet. Ich trete anderen Menschen mit Respekt gegenüber. Natürlich kommt es schon einmal zu Meinungsverschiedenheiten und selten sogar zu Streit, dem man nicht immer aus dem Wege gehen kann. Ich vertrete, wenn nötig, meinen Standpunkt auch mit Nachdruck, aber man muss später seinem Gegenüber auch wieder in die Augen sehen können. Das Verhältnis zu den Vorsitzenden unserer Sektionen schätze ich als vertrauensvoll ein. Im Übrigen stieß die Tatsache, dass ich als Frau eine herausragende Funktion übernahm, auf keinerlei Vorbehalte.
Frage: Richten wir den Blick nach vorn. Was könnte sich in den kommenden Jahren an der Ausrichtung unseres Verbandes ändern?               
Barbara Ernst: Die großen Herausforderungen sind wie für jede Organisation und jeden von uns Umweltschutz und Klimaschutz. Wie steuern wir unsere Aktivität so, dass wir möglichst wenig der natürlichen Ressourcen verbrauchen? Der DAV arbeitet hier intensiv an Konzepten mit praktischen Konsequenzen für Sektionen, Kletterhallen, Hütten, Mobilität und damit letztlich für jeden von uns.    
Die Situation in den Klettergebieten bleibt schwierig. Weitere Schließungen und Zugangsbeschränkungen sind nicht auszuschließen. Die Erschließung von stillgelegten Steinbrüchen für das Klettern kann hier einen teilweisen Ausgleich schaffen.  
Der Leistungssport wird seine Stellung weiter festigen. Es besteht ein menschliches Bedürfnis, die eigene Leistung zu messen und zu vergleichen, von daher wird die Anzahl von Wettkampfveranstaltungen zunehmen.
Frage: Wie siehst Du die Zukunft des Ehrenamts?
Barbara Ernst: Unsere Vereine und Verbände sollen weiterhin ehrenamtlich geführt werden. Allerdings ist schon jetzt eine enorme Verantwortung damit verbunden. Die Anforderungen sind überwältigend. Für gewisse Fachbereiche bedarf es daher zunehmend der Unterstützung hauptamtlicher Kräfte, z.B. was juristische, steuerliche Fragen angeht. Auch als Landestrainer im Leistungsportbereich müssen vermehrt hauptamtliche Kräfte eingestellt werden.         

Abschließend möchte ich festhalten, dass ich in vergangenen 13 Jahren die Aufgaben gerne und mit Freude erfüllt habe. Sie bindet zwar viel Zeit, aber sie hat mich bereichert, außerdem lerne ich zahlreiche Menschen kennen, und ich kann mir, auch durch meine Tätigkeit im Verbandsrat, vielfach vor Ort konkrete Einblicke verschaffen.   


Angie Faust - Warum Klettern?

Angie Faust bildet seit fast 30 Jahren Personen, die an Naturfelsen klettern wollen, für den DAV und die IG Klettern aus und leitet seit einigen Jahren das Teamer-Team Outdoor-Kurse für den DAV Hannover. Es geht dabei auch immer um Naturschutz und Klettern – sie setzt sich dafür ein, dass beides in Einklang gebracht wird. In der IG Klettern Niedersachsen ist sie als 2. Vorsitzende aktiv.

In einem Gespräch mit dieser Kletterin par excellence scheint es mir am besten, sofort zum Kern der Sache zu kommen, zumal mich das brennend interessiert. Warum klettert jemand, spielt stattdessen nicht Tennis oder Golf, läuft kein Marathon? 

Frage: Was gibt Dir das Klettern?
Angie: Im Grunde ist Klettern eine Auseinandersetzung mit einem selbst. Vor mir habe ich ein paar Quadratmeter, die überwunden werden müssen. Verstehe ich den Weg vor mir, was er an spezifischen Bewegungen von mir verlangt? Unten am Seil steht eine weitere Person. Sie hält mein Leben in ihrer Hand. Das bedeutet, ich bin zwar allein am eigentlichen Fels, aber doch in einer Partnerschaft. Ich liebe die Kletterbewegungen, sie gleichen für mich einem Tanz. Es ist der Fels, der die Musik vorgibt, ein wunderschöner Tanz, den ich dazu vollführe (Anmerkung Dylla – was für ein Unterschied zum Marathonlauf!  Wir müssten nun einen Marathonläufer befragen der Gerechtigkeit halber).        
Die Vielseitigkeit des Kletterns fasziniert mich: Bouldern, Mehrseillängentouren, Trad-Climbing, Sportklettern….
In Norddeutschland – und da spricht die Hobby-Geographin – sind die Felsen sehr verschiedenartig: wir klettern an Sandstein, an Kalk, an Granit, an Basalt, was durchaus sehr unterschiedliches Kletterhandeln erfordert. Wir haben hohe und niedrige Felsen mit unterschiedlichsten Schwierigkeitsniveaus in unseren Klettergebieten, einfach eine unglaubliche Vielfalt.
Intensive Freundschaften entstehen beim Klettern. Da ist einmal die Verlässlichkeit des Partners bzw. das Vertrauen in diese Person, die ja nicht immer dieselbe ist, so bildet sich eine wunderbare Klettercommunity, zum andern verbindet uns die Liebe zur Natur.

Frage: Verspürst Du jemals Angst beim Klettern und wie gehst Du damit um?
Angie: Wenn ich tatsächlich Angst bekomme (wie z.B. in der Sächsischen Schweiz, einem sehr anspruchsvollen Klettergebiet: da handelt es sich z.B. um sehr ausgesetzte Routen), konzentriere ich mich nur auf die nächsten Meter. Fallen ist da keine Option.
Frage: Wie ordnest Du da das Hallenklettern im Vergleich zum Felsklettern in der Natur ein?
Angie: Früher stellte das Hallenklettern für uns lediglich eine Vorbereitung für das Klettern im Freien dar. Heute ist es eine selbständige Sportmöglichkeit, insbesondere für (Groß-) Städter, die den Sport noch abends nach der Arbeit ausüben können. Für manche ist Klettern ein reiner Innensport geworden. Im Grunde finde ich Kletterhallenklettern langweilig, aber wenn eine Plastikroute kreativ geschraubt ist, d.h. sie bietet Überraschungen und ich muss überlegen, wie ich die Route bewältige, dann macht sie schon Spaß.  
Problematisch ist es, wenn Sportler aus Kletterhallen ihre Fähigkeiten und Erfahrungen 1 : 1 auf die Naturfelsen übertragen wollen. Die Dienstleistung einer Kletterhalle kostet Geld. Manche Indoor-Kletterer versuchen, ihre Erfahrung aus der Kletterhalle in die Natur zu übertragen. Sie erwarten unbewusst die gleiche Dienstleistung von der Natur. Sie sind, zum Beispiel, nicht bereit, 20 Minuten vom Parkplatz bis zu einem Felsen zu laufen, sie erwarten einen gewissen Abstand der Bohrhaken, wie sie ihn von Kletterhallen gewohnt sind, sie wollen sofort verstehen, wie eine Route funktioniert. Ich würde mir wünschen, dass Liebe und Respekt zur Natur das Verhalten der Kletterer am Felsen bestimmen; das Klettern draußen muss vergleichsweise hart erarbeitet werden. So ist das Fallen am Felsen etwas anderes als in der Halle.
So gilt es draußen mehr zu beachten. Wie komme ich eigentlich wieder runter? Sind zwischen mir und meinem Partner Hindernisse wie Felsvorsprünge? Wie belasse ich die Route natürlich? Aus Rücksicht auf die Natur hinterlasse ich möglichst wenig Fußabdrücke.
In Corona-Zeiten sind viel mehr Leute an den Felsen gewesen, teilweise ohne zu wissen, wie sie sich in der Natur zu verhalten haben. Wir hatten große Probleme damit. 

Frage: Du bist auch Trainerin mit der C-Befähigung.
Angie: Ja, ich trainiere alle Altersgruppen sowohl indoor als auch draußen. Mir ist es sehr wichtig, die Leute, die vorhaben draußen zu klettern, gut darauf vorzubereiten. Sie sollen die Felsen mit Respekt behandeln. Dazu gehört, Naturschutzgebiete zu respektieren, Felssperrungen z.B. wegen der Vogelbrut zu beachten. Diese Umsicht ist Teil der Ausbildung. Wichtig ist, dass ich als Trainerin mich auf dem Laufenden halte, auch was aktuelle Sicherheitsstandards angeht. Von daher sind die regelmäßigen Fortbildungen des DAV ein Muss.

Frage:  Was bedeutet der DAV für Dich?
Angie:: Ich empfinde ihn als große Familie, die Zusammenarbeit ist meistens konstruktiv. Es ist einem immer bewusst, dass das Seil eine Nabelschnur darstellt, „dein Leben in meiner Hand“ und „meins in deiner“. Das schweißt zusammen.     

Richard Goedeke

Schon lange bevor ich dem DAV beitrat, war Richard Goedeke mir ein Begriff durch seine Bücher „Normalwege in den Alpen 3000-er“ und derselbe Titel für „4000-er“. Unvergesslich ist mir die respektlose Beschreibung des Breithorns bei Zermatt als „Latschberg“. Das war unser erster 4.000-er.

Frage:  Kannst Du mir ein oder zwei unvergessliche Ereignisse in den Bergen erzählen, die Dich in gewisser Weise geprägt haben?
Richard: Davon hatte ich im Zusammenhang mit den Bergen in diesen über 50 Jahren prallen Lebens eine ganze Reihe, heute noch so lebendig wie vor Jahrzehnten. Aber welches besonders herausstellen?
Momente knappen Entkommens aus lebensbedrohlichen Situationen? Wie etwa den 22m-Sturz an der Adlerklippe? Oder nach Wettersturz und 4 eisigen Biwaks die Hubschrauberrettung vom Col Peuterey, des riesigen Südgrates des Mont Blanc? Oder wie etwa in der Dachstein-Südwand trotz Ausbruchs beider wesentlicher Griffe 30 Meter über der letzten Sicherung doch statt des fälligen Sturzes hinterher oberhalb auf einem Schuttband zu sitzen? Oder nach Sturz der Partnerin in der senkrechten Salami Nordwand mit der Verletzten ohne fremde Hilfe nach vielen Stunden konzentrierter Arbeit heil den Wandfuß zu erreichen?
Persönliche Triumphe wie Vollendung großer Touren? Wie der Ausstieg aus der neu eröffneten einsamen Burél Südwand oder nach 3 Tagen am Walkerpfeiler die noch intakte Gipfelwechte zu durchschlagen und die erste norddeutsche Begehung des Walkerpfeilers der Grandes Jorasses zu vollenden? Oder am Mittleren Zwölfer die ruppige Erstbegehung „Traumtour“ souverän zu beenden? Oder am Langkofeleck die clean-Route „Pfeiler über den Wolken“? Oder in der Rienzwand den „Blauen Enzian“?
Momente erfolgreicher Überzeugungsarbeit wie als frischgewählter Landesjugendleiter in der Jahresversammlung des Sektionenverbandes Anfang der der 70-er Jahre zusammen mit dem spontan begeisterten Gerhard Pinnow von der Sektion Wilhelmshaven den Beschluss für das Projekt Jugendzeltplatz Ith zu erreichen, und im Hauptausschuss zusammen mit anderen Wohlinformierten den Beschluss zu erreichen, der Alpenverein müsse für den Schutz des Bergwaldes arbeiten? Oder nach dem Tschernobyl-GAU und der Grenzstreifenbesetzung im Wendland im Konflikt zwischen dem AV-Vorsitzenden März und der norddeutschen AV-Jugend zu vermitteln und die Versöhnung zu erreichen? Oder den Beschluss zur Schaffung einer Stelle für die Organisation der Kompromissfindung Klettern und Naturschutz?

Frage: Dein Blick auf den LV Nord, worin siehst Du seine Existenzberechtigung?
Richard: Der Landesverband Nord als Zusammenschluss der norddeutschen Sektionen ist die wichtigste Struktur zur Erhaltung und Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für das Klettern und Bergsteigen hier in der bergsteigerischen Diaspora. Er ist im besten Sinne unsere regionale Koordinations- und auch Lobbyorganisation. Wenn es ihn nicht gäbe, dann müssten wir ihn sofort erfinden!

Frage: Wie siehst Du die Zukunft, des DAV insgesamt, unseres LV? Was sind die Herausforderungen, Schwierigkeiten?
Richard: Klettern und Bergsteigen knüpft an bei elementaren Bewegungs- und Erlebnisbedarfen. Dass der DAV so groß geworden ist, verwundert mich deshalb nicht. Dass er durch Schaffung von städtischen Sport- und Begegnungsstätten, in den letzten Jahren auch insbesondere durch den Bau von Kletterhallen, auch wohnungsnähere Angebote macht, erleichtert die Vereinbarkeit mit ökologischer Verträglichkeit. Die Zukunft des Alpenvereins sehe ich insgesamt optimistisch. Im Einzelnen ist das natürlich mit Spannungen verbunden.
Bei der Größe des Vereins sind die lokalen und regionalen Gruppen mit ihren vielfältigen Angeboten wichtig, damit alle Anschluss in zu ihnen passenden Nischen finden können. Diese Nischen müssen naturverträglich und sozialverträglich genutzt werden. Das immer wieder mit Behörden und Eigentümern auszuhandeln und gesellschafts- und naturverträglich zu organisieren, bleibt Daueraufgabe!
Ich halte es für sehr wichtig, dass der Kontrast zwischen den kleinen Angeboten hier und der Möglichkeit der Erfahrung der großen Berge erhalten bleibt. Dazu muss das Angebot gehören, alle die das wollen zu ertüchtigen, ihre eigenen Abenteuer draußen zu organisieren. Das ist der Stoff, aus dem lebenslang intensive Erfahrungen erwachsen können, die uns das Leben lebenswert machen. (Mehr dazu erzählt mein Buch „Spagat“).

Klaus-Jürgen Gran: Ehrensprecher des Landesverbands Nord

Will man über Klaus -Jürgen Grans Leistung für den DAV berichten, verursachen die Gewaltigkeit und die Vielfältigkeit der Funktionen, die er ausübte, nahezu Schwindel. Auf 50 Jahre Ehrenamt im DAV blickt er zurück. Zwar hält er nicht den Rekord als langjährigster 1. Vorsitzender der Vorgänger-Organisation unseres jetzigen Landesverbandes inne – das war Karl Heinz Winterberg (von 1966 bis 1991) – aber er ist von der Amtsdauer her gesehen die bisherige Nummer 2 mit immerhin 20 Jahren Vorsitz, von 1991 bis 2011. Dabei gab er diese Funktion nicht erst im hohen Alter ab. Übrigens begann er seine Aktivitäten schon früh, zunächst als Jugendleiter der Sektion Osnabrück, im Folgenden übte er dort weitere aus bis zum Sektionsvorsitzenden; überregionale DAV-Funktionen umfassten die des Dritten Vorsitzenden des DAV-Hauptvereins (heute Bundesverband), Mitglied des DAV-Hauptausschusses und des Verbandsrates, Vorsitzender der Kommission Recht des DAV, Präsident des Clubs Arc Alpin. Sein Einsatz wurde durch zahlreiche Ehrungen gewürdigt, u.a. erhielt er das Bundesverdienstkreuz.
Grundlage seines Engagements für den DAV war Klaus-Jürgen Grans immerwährende Begeisterung für die Berge und die Natur überhaupt.
Die andauernde Leidenschaft für unseren Verbund als Ganzes zeigt sich auch in der Gründung einer Stiftung zusammen mit seiner Frau (Klaus- und Evelyn Gran Stiftung, Osnabrück), die die Förderung von alpiner Kultur im DAV zum Ziel hat.  

Frage: An welche Touren erinnern Sie sich insbesondere?
Klaus-Jürgen Gran: Als profilierter Hochtourengeher galt meine Leidenschaft den großen Grattouren der Westalpen wie z.B. Rochefort-Grat in der Grandes Jorasses-Gruppe; Weißhorn-Ostgrat; Liskamm-Überschreitung von O nach W; Biancograt am Piz Bernina. Am Matterhorn hatte ich keine besondere Freude wegen des Rummels, aber an dessen einsamen Nachbarn Dent d'Hérens; Biwaks bei der Montblanc-Längsüberschreitung oder am Moine-Grat der Aiguille Verte überstand ich gut. „Meine“ schwierigsten Gipfel: das Schreckhorn und das Bietschhorn in den Berner Alpen. Eine meiner größten Freuden bestand darin, meinen alpinen Mentor in Osnabrück, Friedrich Lührs, zu seinem 75sten Geburtstag im Jahr 1992 auf den Mönch zu führen!
Frage: Was war Ihre schwierigste Zeit/die schwierigste Aufgabe im NWSV? Auf welche Leistung sind Sie besonders stolz?
Klaus-Jürgen Gran: Die schwierigste Aufgabe im DAV-Bundesverband war es, angemessen auf die Vereinskrisen der Jahre 1998/1999 und 2010 zu reagieren und sowohl strukturelle wie personenbedingte Defizite klar anzusprechen. Mit vereinten Kräften haben wir es geschafft, die Dinge wieder ins Lot zu bringen.
Die schönste Aufgabe im NWD Sektionenverband und im Nds.Landesverband war für mich, das gute und freundschaftliche Verhältnis der Norddeutschen Sektionen zu pflegen und zu erhalten. Das ist gut gelungen.

Frage: Würde Sie heute rückblickend etwas anderes machen? Was und wie?
Klaus-Jürgen Gran: Ja! Ich würde nie wieder eine Führungsaufgabe übernehmen, für die mir die eigentlich notwendige Erfahrung fehlt. Das war so, als ich mich im Alter von nicht einmal 35 Jahren im Juni 1979 von der DAV-Hauptversammlung in Berchtesgaden zum Dritten Vorsitzenden des DAV habe wählen lassen. Ich wurde zum Jüngling unter "Weißbärten". Es ist zwar gut gegangen. Aber mehr Erfahrung wäre besser gewesen.

Frage: Was betrachten Sie als die größten Herausforderungen für den DAV (insgesamt) aus Ihrer Sicht in naher und fernerer Zukunft?
Klaus-Jürgen Gran: Natürlich hat sich der DAV in der Zeit stark verändert. So hat nicht etwa das Engagement von Frauen an sich zugenommen, sie waren immer präsent, sondern die Anerkennung ihrer Leistung, was sich auch in der verstärkten Repräsentation von Frauen in herausgehobenen Funktionen niederschlägt.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass ich mich besonders darüber gefreut habe, dass mir viermal großartige Frauen in meinen Ämtern gefolgt sind:
- als Vorsitzende der Sektion Osnabrück im März 2011 Melanie Grimm, seit 2015 Vizepräsidentin des
  DAV;
- als Sprecherin des NWD-Sektionenverbandes (heute LV Nord) im Mai 2011 Barbara Ernst,
  Hannover;
- als Mitglied der Kommission Recht des DAV im Januar 2019 Dr. jur. Ursula Gernbeck, München;
- als CAA-Präsidentin im September 2019 Frau Dr. Nicole Slupetzky, Salzburg.

Frage: Wie sieht der erfahrene, krisenerprobte Klaus-Jürgen Gran die Zukunft des DAV und insbesondere unseres Landesverbandes? Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie auf uns zukommen?
Klaus-Jürgen Gran: Da ist zunächst die Zukunft des Ehrenamtes. Die Herausforderungen werden nicht nur mit dem Klimawandel komplexer. Damit bleibt die Ehrenamtstätigkeit zeitintensiv und verlangt zudem immer mehr Hintergrundwissen.    

Jens Keen - Ein Neuzugang, der zupackt  

Erst seit wenigen Jahren, seitdem die Kinder aus dem Haus sind und er beruflich gefestigt ist, gehört Jens Keen dem DAV Kiel an. Und schon seit 2018 ist er Hütten- und Wegewart der Sektion sowie deren Naturschutzreferent. Dazu ist er Mitglied im Expertenkreis Mobilität des Bundesverbandes. Dieser ist dabei, ein Klimaschutzkonzept zu erarbeiten. Ein erarbeiteter Maßnahmenkatalog wird der Hauptversammlung im Herbst vorgelegt. Dabei geht es zum Beispiel um eine klimaverträgliche Ortswahl bei Veranstaltungen Bergsteigerbusse zu Zielen, die bislang öffentlich schlecht erreichbar sind und Lobbyarbeit zur Verbesserung des ÖPNV.

Frage:  Wie viele Hütten besitzt die Sektion Kiel und was beinhaltet Deine Aufgabe?
Jens: Die Sektion besitzt eine Hütte, die Kieler Wetterhütte, eine Notfallhütte. Dazu betreuen wir eine Wegstrecke von rund 20 km. Die Hütte liegt auf einer Höhe von 2800 m oberhalb von Ischgl und Kappl im Paznaungebiet und damit im Verwall, wo der DAV insgesamt 8 Hütten betreibt, die in der Verwall-Runde verbunden sind. Wir, mit eingeschlossen unsere Jugendgruppe, arbeiten im Wegebau mit der Hamburger Sektion zusammen, und zwar auch hier vor allem mit der Jugendgruppe, die Sektion Hamburg und Niederelbe betreibt die in der Nähe gelegene Niederelbe-Hütte.
Jährlich treffen wir uns mit den anderen Hütten- und Wegewarten und den Hüttenwirten der Hütten auf der Verwallrunde zum Austausch. Wir reden dann über Probleme, die die Verwallrunde betreffen und tauschen uns mit den Tourismusverbänden aus. Auch ein Erfahrungsaustausch aller Beteiligten findet in der Regel statt.
Frage: Wie sieht Eure Arbeit konkret aus, und merkt Ihr am Arbeitsanfall etwas von Klima- bzw. von Wetterveränderungen?
Jens: Der Schnee trägt den Schotter talwärts, diese Murenabgänge reißen bisweilen den Weg mit, wir beseitigen den Schutt, halten die Wasserabläufe frei, indem wir sie auskehren. Wir legen zusätzliche Treppen an, wo notwendig, erneuern die rot-weiß-rote Wegmarkierung und richten umgefallene Wegweiser wieder auf. Bei der Kieler Hütte lagern nun im Frühjahr bis zu 4 m Schnee, das ist eine deutliche Zunahme in den letzten Jahren. Mehr Schotter rauscht gen Tal. Der Schnee ist zu warm und klebrig, früher war der Schnee trockener. Die Wegebegehung verschiebt sich zeitlich. Während ich früher Anfang Juli zur Begehung fuhr, konnte ich dieses Jahr wegen des verbleibenden Schnees noch nicht auf die Hütte. Die Jugendgruppe hat in diesem Jahr an der Hütte gearbeitet. Es wurde ein offener Schuppen für das Kaminholz gebaut. Diese Arbeit wurde neben den alljährlichen Arbeiten gemacht. Man darf nicht vergessen, dass die Hütte auf 2800m Höhe liegt. Jedes benötigte Teil muss auf die Hütte getragen werden!
Frage: Müsst Ihr auch von Menschen hinterlassenen Müll oder von ihm verursachte Schäden beseitigen?
Jens: Kaum. Es liegen hauptsächlich Zigarettenkippen und etwas Müll (auch FFP-2 Masken !!) herum, aber das hält sich in Grenzen. Übrigens bewegen sich Mountainbiker hier oben nicht, die Wege sind einfach zu schmal. Von daher hinterlassen sie keine Spuren, die wir beseitigen müssten.   
Frage: Habt Ihr denn Eure Hütte, so wie das vielerorts jetzt unternommen wird, ökologisch saniert?
Jens: Eine Notfallhütte ist sehr sparsam eingerichtet. Sie ist ja unbemannt, d.h. es ist kein Hüttenwirt vor Ort, sie enthält lediglich drei Stockbetten übereinander, einige Decken, etwas Werkzeug und einen Bollerofen. Der neue Ofen hat einen bessere Heizleistung als der alte Ofen, dadurch sparen wir Kaminholz.
Frage: Was bewegt Ihr in Kiel in Sachen Naturschutz?
Jens: Wir sind innerhalb des DAV ja eine eher kleine Sektion. Wir haben erst jetzt eine kleine Gruppe mit drei Personen gegründet. Im Kletterturm soll ein Schwarzes Brett angebracht werden für die Suche nach Mitfahrgelegenheiten oder für die Ausleihe von Ausrüstungsgegenständen sowie Kletterpartner. Wir werden auf unserer Homepage über Natur- und Umweltschutzmaßnahmen informieren. Es sollen Kontakte zu anderen Institutionen (BUND, NaBu, usw.) geknüpft werden. Zudem sollen Aktionen wie z.B. Müll sammeln organisiert werden.
Ein Appell an alle Bergfreunde: reist mit der Bahn an, oder aber mit möglichst voll besetzten Autos. Die Klimasituation ist einfach dramatisch. Das ist uns allen bewusst. Verhalten wir uns dementsprechend!  
Frage: Was gibt Dir der DAV?
Jens: Ich klettere nicht, sondern wandere in den Bergen. Als ich auf der Suche nach einem Ehrenamt war, wurde ich sehr gut aufgenommen. Die Kameraden und Kameradinnen sind bodenständig. Alle Aufgaben werden ohne Hektik, aber auf jeden Fall angegangen und erledigt, Ziele formuliert und umgesetzt. Hektik bringt nichts, schon gar nicht in den Bergen. Es ist eine großartige Arbeit, die mich sehr befriedigt. Ich mag die Zusammenarbeit mit der Jugendgruppe und die anspruchsvolle Arbeit in den Bergen.

Bemerkung: Der Neuankömmling ist fest entschlossen, seine Tatkraft und seine Erfahrungen bei uns einzubringen. Wir dürfen gespannt sein, wo und wie wir nun häufiger seinen Namen erwähnt hören.

Helmut Manz, ein großer 1. Vorsitzender der Sektion Hamburg und Niederelbe
und mit bleibender Wirkung für den Landesverband Nord

Helmut Manz übernahm 2008 zunächst das Amt des 2. Vorsitzenden in der Sektion Hamburg und Niederelbe und 2010 das des 1. Vorsitzenden, das er bis 2014 ausübte. Er hat die Sektion nachhaltig geprägt. Durch eine verstärkte Berichterstattung im Vereinsheft konnten sich die Mitglieder eine konkrete Vorstellung vom Vereinsgeschehen und der Arbeit des Vorstandes bilden. Den Kontakt zu den Mitgliedern pflegte er durch Teilnahme an Gruppenaktivitäten, Besuch der Ortsgruppen und die Organisation von Treffen der Ehrenamtlichen.
In Helmut Manz‘ Amtszeit fielen große Baumaßnahmen – Errichtung der Halle 2 und Sanierung des Turms im Kletterzentrum Hamburg, Renovierung der Sektionshütten in den Alpen und in den Mittelgebirgen – und das starke Wachstum der Mitgliederzahlen, was organisatorisch eine Herausforderung bedeutete. Das damit zunehmende Gewicht der Sektion wurde von Helmut Manz sowohl innerhalb des DAV als auch in der Stadt Hamburg durch intensive Kontakte zum Senat und der Parteien in der Bürgerschaft deutlich gemacht.

Für unseren heutigen Landesverband unvergessen: er betätigte sich als einer der „Geburtshelfer“ dieser Nachfolgeorganisation des Nordwestdeutschen Sektionenverbandes (NWDSV). Damals bestanden der NWDSV, der alle Sektionen der vier Bundesländer Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein umfasste, und der Niedersächsische Landesverband - nur dieser ein rechtsfähiger Verein -, dem alle niedersächsischen Sektionen angehörten, nebeneinander. Entscheidungen wurden im NWDSV getroffen, danach im rechtsfähigen Niedersächsischen Landesverband bestätigt (die anderen Bundesländer verfügten nicht - mit Ausnahme von Schleswig-Holstein für eine kurze Periode - über einen eigenen Landesverband). Ziel war die Vermeidung von Doppelstrukturen durch die Schaffung eines einheitlichen Verbandes anstelle zweier Organisationen und eine Stimmengewichtung entsprechend der Mitgliederzahlen der Sektionen und damit auch ihrer finanziellen Beteiligung. Letzteres, d.h. die gewichtete Stimmenverteilung, welche die im Bundesverband nachvollzieht, wurde 2012 umgesetzt, die Bildung des länderübergreifenden rechtsfähigen Landesverbandes wurde am 1.1. 2016 Realität. Diesem traten alle Sektionen der 4 Bundesländer bei.


Einen weiteren Höhepunkt stellte das 140-jährige Sektionsjubiläum dar, das Helmut Manz federführend vorbereitete. Er veranlasste eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte der Sektion in den Jahren 1920 bis 1945 zum Umgang mit ihren jüdischen Mitgliedern. Die Hauptversammlung des Bundesverbandes holte er zum Sektions-Jubiläum 2015 nach Hamburg. Der DAV war und ist ihm eine Herzens-Angelegenheit.

In diesen Tagen um ein aktuelles Wort gebeten, äußert sich Helmut Manz folgendermaßen:
„Ich habe versucht, die dynamisch wachsende Sektion in ihrer Bedeutung als gut geführten alpinen Sportverein im Norden und wichtige Umweltorganisation auch öffentlich bekannt zu machen. Dem DAV wünsche ich, dass er im Spannungsfeld zwischen traditionellen alpinen Anliegen und geänderten Umweltanforderungen immer seinen richtigen Weg findet“.

Peter Neber: Der im Stillen wirkende Fachmann

Das Betreiben von Hütten und die Pflege der dahinführenden Wege gehören zu den Kernaufgaben des DAV.
Peter Neber ist innerhalb der Sektion Hamburg und Niederelbe seit 2017 Hüttenwart der Hamburger Skihütte. Auf 1.970 m Höhe oberhalb des Gasteiner Tals gelegen, wird sie derzeit als reine Winterhütte betrieben. Die anderen zwei alpinen Hütten der Sektion dienen Wanderern und Bergsteigern als Sommerquartier. Die Hamburger Skihütte liegt unmittelbar an der Skipiste und lebt daher nicht nur von Übernachtungsgästen, sondern vor allem von den einkehrenden Skifahrern. Über die Tätigkeit von Peter führte ich im August 2021 ein Gespräch.


Frage: Was sind deine Aufgaben als Hüttenwart?
Peter: Meine Aufgaben bestehen darin, Kontakt zu den Pächtern zu halten, die Hütte regelmäßig zu besichtigen und zu überprüfen, ob die Pächter ihre Verpflichtungen einhalten, z. B. die technischen Einrichtungen regelmäßig zu warten. Weiter ist der Kontakt mit Nachbarn und Behörden aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus mache ich dem Vorstand Vorschläge für die Sanierung der Hütte.
Frage: Was wurde an der Hütte seit 2017 saniert, und welche Maßnahmen sind in der Zukunft notwendig?
Peter: Als ich meine Tätigkeit als Hüttenwart Mitte 2017 antrat und die Hütte zum ersten Mal besichtigte, war diese in einem desolaten Zustand. Insbesondere die Küche war vom Altpächter verwüstet hinterlassen worden. Sie genügte in keinem Fall den hygienischen und damit behördlichen Anforderungen an eine gewerbliche Küche. In einer Eilaktion wurde die neue Küche geplant, sämtliche Wände, Fußböden und Decken wurden erneuert, und letztlich wurde eine fast komplett neue Gewerbeküche mit modernen Geräten installiert. Im Keller wurde ein Kühlraum eingerichtet. Damit war gewährleistet, dass die Saison 2017/18 mit neuen Pächtern, den Brüdern Andreas und Christian Wiesmann, pünktlich beginnen konnte.
Im folgenden Jahr haben wir dann mit finanzieller Unterstützung des DAV-Zentralverbands München einen Hüttenzustandsbericht beauftragt. Danach müssen an der Hütte in den kommenden Jahren umfangreiche Sanierungsmaßnahmen stattfinden. Beispielhaft sind zu nennen: die gesamte Außenterrasse, die Fassade mit Fenstern einschließlich Dämmung zur Senkung des Heizenergiebedarfs, der Austausch der Ölheizungsanlage gegen eine Heizung, die mit regenerativen Brennstoffen betrieben werden kann (z. B. Pelletheizung), die Sanierung aller Gästeschlafräume mit den dazugehörigen Fluren und Einrichtungsgegenständen, weitere Sanierungen in den Gasträumen im Erdgeschoss, und auch im Keller sind dringend Arbeiten auszuführen.
Im Jahr 2019 haben wir in den Gasträumen die mit Kunststoff überzogenen Bänke ausgetauscht, die Fußböden erneuert und die Heizung ergänzt. In diesem Jahr sanieren wir das Dach des kleinen Gastraums und errichten eine neue Fluchttreppe für die Räume im 1. Obergeschoss.

Frage: Was war dein Anteil an den Arbeiten?
Peter: Ich hole Angebote der Firmen ein und bereite die Aufträge für den DAV vor. Ich habe die Arbeiten, insbesondere 2017 und 2019, vor Ort überwacht, für die Arbeiten in diesem Jahr steuere ich den Architekten, damit nur Arbeiten ausgeführt werden, die in das vom Vorstand freigegebene Budget passen.
Frage: Welche Art von Sanierung ist im Hinblick auf Energieeinsparungen geplant?Peter: Eine ältere Hütte ist naturgemäß nicht in einem guten energetischen Zustand. Energetische Sanierungen in Form von zusätzlicher Dämmung sind daher an der Fassade (errichtet ca. 1935), am Dach und an den Fenstern (eingebaut ca. 1985) notwendig. Für die Dämmung sollen nachhaltig produzierte Dämmstoffe zum Einsatz kommen. Styropor oder Ähnliches kommt nicht infrage. Wir wollen weg vom Heizöl, daher ist der Austausch der Ölheizungsanlage mit einer Leistung von 73 kW gegen eine Heizung, die mit regenerativen Brennstoffen betrieben werden kann (z. B. Pelletheizung mit 32 kW), beabsichtigt. Durch diese Maßnahmen sollen der Energieverbrauch und der CO2-Fußabdruck deutlich gesenkt werden. Pellets werden heute ausschließlich aus Holzabfällen produziert, die in holzverarbeitenden Betrieben in großen Mengen anfallen.
Die gesamte Sanierung muss vor der Ausführung sorgfältig geplant werden, das gilt insbesondere für die Dämmung des Gebäudes und für die Auslegung der Heizungsanlage.

Frage: Was stellt die größte Schwierigkeit bei dem Vorhaben dar?
Peter: Die Sanierungsmaßnahmen können leider nicht in einem Zug, also in einem Jahr erfolgen. Dafür fehlt es der DAV-Sektion Hamburg und Niederelbe an den finanziellen Mitteln. Eine Sanierung in einem Zug wäre organisatorisch am einfachsten und sicher preisgünstiger als eine Sanierung in mehreren Schritten über 3 bis 4 Jahre. Zusammen mit dem Architekten werde ich jedoch versuchen, möglichst wenige Provisorien zu schaffen und Sanierungen aus den Vorjahren nicht wieder zurückzubauen.
Frage: Wie ist die Zusammenarbeit mit den Hüttenwirten?
Peter: Sehr gut. Christian und Andreas haben bereits 2017 den Schankbereich komplett erneuert. Dort wurden auf Kosten der Pächter neue Wand- und Deckenverkleidungen angebracht und der Fußboden renoviert. Auch bei der Küchenplanung konnten wir Anregungen von Andreas noch mit umsetzen. Die Corona-Maßnahmen haben die Hüttenwirte hart getroffen. Die Hütte war in der letzten Saison 2020/21 aufgrund behördlicher Anordnung durchgehend geschlossen. Die Hüttenwirte mussten sogar sämtlichen Proviant, den sie im Herbst hinaufgeschafft hatten, wieder ins Tal bringen.
Frage: Wie sieht die Zukunft der Hütte aus?
Peter: Für den nächsten Winter zeichnet sich eine gute Buchungslage ab. Wir wissen aufgrund der anhaltenden Pandemie jedoch nicht, wie sich die Umsätze in der kommenden Saison entwickeln werden.
Darüber hinaus gibt es Überlegungen, die Hütte auch im Sommer zu öffnen. Das setzt aber voraus, dass die Hüttensanierung im Wesentlichen abgeschlossen ist. Da im Sommer die Umsätze wesentlich geringer ausfallen werden als im Winter, müssen die Pächter von der Sommeröffnung überzeugt werden, die Zufahrt zur Hütte über die Privatstraße des Nachbarn muss auch für den Sommer geregelt werden. Der Tourismusverband hat die Region durch Klettersteige und vermehrtes Marketing auch für den Wanderurlaub im Sommer attraktiver gemacht. Es wird aber noch viel Überzeugungsarbeit notwendig sein, um dieses Ziel zu erreichen.

Frage: Was gibt dir der DAV?
Peter: Bei meiner Tätigkeit als Hüttenwart macht es mir Spaß, neue Leute kennenzulernen, auch als Bauingenieur aktiv zu sein und etwas zu bewegen, zumal in den Bergen, wo Bauaufgaben oftmals eine andere Herausforderung darstellen als bei uns in Norddeutschland. Zusammen mit meiner Frau fahre ich immer wieder gern in die wunderschöne Landschaft in den Alpen.

Wir wünschen Peter Neber und der Sektion Hamburg und Niederelbe viel Erfolg bei der Sanierung der Hamburger Skihütte und eine gute Auslastung. Als Gäste werden wir die neue Ausstattung der Hütte würdigen.

Ludwig Wucherpfennig – ein Big Shot unter und für uns

Nach seinem Aussehen zu urteilen, muss Ludwig Wucherpfennig schon vor seiner Geburt in den Alpenverein eingetreten sein, seine Mitgliedschaft beträgt nämlich bereits 67 Jahre. Da sieht man, dass der leidenschaftliche Einsatz für den DAV nicht nur erfüllend ist, sondern auch jung hält!

Ludwig Wucherpfennig hat sämtliche „Stufen“ des DAV durchlaufen und geprägt, also vom stellvertretenden Hüttenwart bis zum Vorsitzenden der Sektion Hildesheim, Vorsitzender des Niedersächsischen Landesverband im DAV, daneben und danach Mitgliedschaften in Gremien des Bundesverbandes (damals „Hauptverein“), als Vizepräsident langjähriges Mitglied des DAV Präsidiums. Daneben engagierte er sich in den Bereichern Naturschutz (im Deutschen Naturschutzring, Naturschutzbeirat des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz) und Sport (als Mitglied des Beirats Umwelt und Sport des Bundesumweltministeriums sowie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft). Seine Auszeichnungen sind zahlreich, für uns die wichtigste: er ist das erste und bisher einzige Ehrenmitglied des DAV.


Wenn man angesichts der vielen Aktivitäten Ludwig Wucherpfennigs Schlüsselbereiche herauszukristallisieren sucht, so sind es wohl der Natur- und der Umweltschutz zusammen mit dem menschlichen Wirken auf die Natur, bei ihm das Bauen im weitesten Sinn. Letzteres erklärt sich aus seiner beruflichen Stellung als Stadtplaner der Stadt Laatzen, der auch für die Entwicklung der Infrastruktur für die Weltausstellung Expo 2000 mitverantwortlich zeichnete. So ist es nur folgerichtig, dass er als Vizepräsident u.a. den Bereich Hütten, Wege und Kletteranlagen sowie Umwelt- und Naturschutz verantwortete. Beim Bau der neuen Malepartushütte übte er die Funktion des Bauherrn aus. Nach seiner Rückkehr in die Heimatsektion Hildesheim wirkte er bei der Fertigstellung des Kletterzentrums maßgeblich mit. 

In seine Zeit als Vizepräsident des DAV fielen zukunftsweisende Projekte, so die Überarbeitung des Grundsatzprogramms zum Schutz und zur nachhaltigen Entwicklung des Alpenraums sowie zum umweltgerechten Bergsport.

Frage: Was sind für Sie unvergessene, prägende oder auch überraschende Erfahrungen im DAV?
Ludwig Wucherpfennig: Im Grunde wurde ich im DAV sozialisiert und zwar während der Aufenthalte in der alten Malepartushütte am Bruchberg im Oberharz. Wir, d.h. einige Familien, verbrachten dort beinahe jedes Wochenende. Als Person allein erreichte man nichts, nur in der Gemeinschaft. Denn es gab kein Wasser, keinen Strom, sondern Petroleumlampen, Wasser musste in 15-Liter Milchkannen mit Tragholz von einer Quelle heraufgetragen werden. Fichten wurden gefällt, Holz gehackt, zur Hütte getragen, wobei die direkt um die Hütte stehenden Bäume tabu waren. Man lernte viel. Auch hatte die Hütte mitten im Wald keine Zufahrt für Fahrzeuge. Für Notfälle stand ein Akia-Rettungsschlitten zur Verfügung. Diese Erfahrung der zu erbringenden Eigenleistung in der Jugend hat die Teilnehmer bis heute geprägt.

Frage: Was war Ihre größte Leistung für den DAV?
Ludwig Wucherpfennig: Die Erstellung der Richtlinien einmal für die Förderung von Hütten und Wegen, zum anderen für die Finanzierung von Kletterhallen. Es ist essenziell, dass die Sektionen für ihre Planung einschätzen können, mit welchen Beihilfen und Darlehen seitens des Bundesverbandes sie rechnen können. Zum anderen zielten wir damit auf eine Gesamtschau ab, also es werden alle Bereiche geplant, die Kläranlage, die Wasser- und die Stromversorgung und nicht z.B. die Stromversorgung, dann „ach ja, Wasser brauchen wir ja auch noch“. Nebenbei, eine Kläranlage funktioniert nicht ohne Strom. Natürlich können nach der Gesamtschau einzelne Bauabschnitte gebildet werden.

Frage: Was betrachten Sie rückblickend als Ihre schwierigste Aufgabe im DAV? 2010 trat der damalige Präsident zurück, und ich übernahm kommissarisch. Es war eine schwierige Situation, ich musste den DAV in ruhiges Fahrwasser bringen.
Anmerkung Verena Dylla: Ludwig Wucherpfennig sprach vorhin über seine Sozialisierung im Schoß des DAV. Für ihn als durchsetzungsfähigen Teamplayer (das ist kein Widerspruch) war es völlig klar, dass gerade er in dieser Situation etwas dem DAV zurückgeben konnte und auch musste. Wer sonst?

Frage: Ihr Blick auf den LV Nord, worin sehen Sie seine Existenzberechtigung und seine Wirkung?
Ludwig Wucherpfennig: Der Landesverband diente zuvörderst der Abstimmung unter den alpenfernen norddeutschen Sektionen, die auch den zahlenmäßig kleinsten Zusammenschluss der Sektionen bilden, zur Hauptversammlung des DAV. Mit einer gleich ausgerichteten Stellungnahme hoffen wir, mehr Einfluss dort ausüben zu können. Ein zweiter Bereich kam hinzu, die Koordinierung der Ausbildung. Und schließlich ergab sich die Notwendigkeit, mit dem Verhängen von Kletterverboten in den norddeutschen Klettergebieten die Interessenvertretung von Naturschutz und Klettern gegenüber der Politik auszuüben und die gemeinsamen Ziele der Sektionen sicherzustellen. Da muss man mit einer Stimme sprechen. So wurde u.a. auch ein Pachtvertrag für den Steinbruch am Wurmberg (Braunlage) abgeschlossen vom Landesverband Niedersachsen e.V., da der NWSV nicht rechtsfähig war.

Frage: Wie sehen Sie die Zukunft des LV Nord und des DAV insgesamt?
Ludwig Wucherpfennig: Positiv. Die Menschen wollen raus in die Natur. Dem DAV wird immer mehr Verantwortung aufgebürdet. Beispiel sind die überfüllten Parkplätze, aber auch das Dilemma, dass der Wunsch Natur zu erfahren an seine Grenzen stößt und gegen unsere Interessen des Klima- und des Naturschutzes. Früher fuhren wir mit dem Zug in den Harz, dann einer mit dem Auto, der andere mitnahm, da waren wir zu viert oder zu fünft unterwegs in einem Wagen. Heute fährt jeder getrennt. Der Verkehr muss rückabgewickelt werden. Wie kann man trotzdem Mobilität sicherstellen? Die Menschen drängen sich in denselben Gebieten, z.B. sind die Hohen Tauern bis heute ein wenig begangenes Gebiet. Die Hütten dort zählen nur 500 bis 600 Übernachtungen p.a. Man müsste sie populärer machen, natürlich unter der Voraussetzung, dass man in Fahrgemeinschaften bzw. mit öffentlichen Verkehrsmitteln sich dorthin begibt. Ja, das Thema Klimaschutz verquickt mit dem der Mobilität sehe ich als d i e Herausforderung für den DAV insgesamt. Das ist erkannt und ist sowohl vom Bundesverband als auch von den Sektionen in Angriff genommen.