DAV

10.09.2019 [Felskader]

Lenas Sommer in Rodellar

Einer der' Gründe, warum mir das Felsklettern so viel bedeutet ist die Möglichkeit, Leistungssport mit der Reise an faszinierende Orte zu verbinden. Deshalb fiel die Entscheidung, wo wir den Sommer verbringen wollen, zum siebten Mal auf dasselbe Ziel: Rodellar. Das Gebiet habe ich 2011 im Rahmen unserer jährlichen Felskaderfahrt kennen- und lieben gelernt. Schon das ganze Jahr habe ich mich gefreut, den gesamten August an einem meiner liebsten Orte zu verbringen.
Rodellar ist ein Klettergebiet in den Ausläufern der spanischen Pyrenäen. Der gleichnamige Ort liegt oberhalb des Mascún-Canyons und besteht aus 43 kleinen Steinhäuschen, einigen Bars, Restaurants und einem Campingplatz. Ist man einmal in Rodellar angekommen, so muss man sein Auto keinen Zentimeter mehr bewegen, denn der Ort ist eine Sackgasse und man kann alles zu Fuß erreichen.

In diesem Jahr haben wir eine sehr ruhige Klettersaison erwischt, mit einer überschaubaren Menge an Klettertouristen und kläffenden Hunden. Es war ein fast ungewohntes Gefühl, die großen Grotten, die Rodellar zu bieten hat, mit nur einer Handvoll anderer Kletterer teilen zu müssen.
In der ersten Woche ging es darum, sich einzuklettern und einzugewöhnen, mehr ließ die Hitze in dem Moment auch nicht zu. Ich nutzte die Zeit um Marius, der das erste Mal in Rodellar dabei war, alle Grotten zu zeigen. Somit bekam er einen guten Eindruck vom Gebiet, lernte die Vielfalt der Kletterei kennen und konnte sich kleine Projekte suchen. Zuletzt besuchten wir die hinterste Grotte des Mascún-Sektors namens „La Surgencia“. Hier bin ich in den vergangenen Jahren kaum geklettert, weil mich die Grotte durch ihre 45m hohen und unglaublich steilen Routen stets ein bisschen abgeschreckt hat.


La Surgencia

Als wir uns nach der Badepause einen kleinen Stein zum Niederlassen suchten, ist mir eine Linie besonders ins Auge gefallen. Entlang einem seichten und sehr steilen Bug aus Sintern, hinein in einen Traversenabschnitt in flacherem Gelände und abschließend durch ein steiles Schild, das sehr strukturarm aussah, zog sich die Route „Florida“. Schuhe und Kneepad waren blitzschnell angelegt um die Route kennenzulernen. Dann hat es nicht mehr lange gedauert, bis ich Feuer und Flamme war und mich der Tour widmen wollte. Einige Tage habe ich mit dem ausbouldern und dem finden der besten Lösung verbracht, bevor ich mich bereit fühlte, einen Durchstiegsversuch zu wagen.
An vielen Tagen habe ich mir das Projekt mit Reme geteilt, einer spanischen Kletterin, die im Sommer in Rodellar arbeitet und die ich hier kennenlernte. Von ihr erfuhr ich, dass im Winter zwei wichtige Griffe in der Tour ausgebrochen sind und sie seitdem nicht oft wiederholt wurde. In der gesamten Zeit, die wir in der Surgencia verbrachten, ist zwischen uns ein schöner Austausch entstanden. Wir haben füreinander mitgefiebert, sie hat mir Knieklemmer-Tips gegeben und ich konnte ihr bei der Lösung in der Crux helfen. Auch mein äußerst eingerostetes Spanisch wurde mal wieder aktiviert. Ich freue mich auf das nächste gemeinsame Projekt.


Posing mit Reme. Foto: Miguel Navarro Perez

Nach vielen schönen Tagen in der Surgencia neigte sich unsere Zeit langsam dem Ende zu und ich stürzte mich in der Crux, dem Abschlussboulder nahe des Umlenkers, langsam immer weiter nach oben. Ich war an dem Punkt wo mir bewusst war, dass ich die Tour klettern kann, aber ich war nicht sicher, ob die Zeit reicht. Ich weiß von mir, dass ich in solchen Situationen häufig dazu neige, Versuche durch mangelnde Konzentration, Druck oder Stress zu versemmeln. Da ich jeden Tag nur einen einzigen Versuch machte, wodurch ich die Anzahl der Ruhetage minimieren konnte, waren die übrigen Versuche abzählbar und ich konnte mir nicht allzu viele Fehlerchen erlauben.
Schließlich kam der Tag, an dem ich in die Tour einstieg und zügig und gelassen in den letzten Ruhepunkt kletterte. Dann folgte einer dieser Momente, in dem jede Bewegung wie von selbst ging und ich mich fühlte, als würde ich mir beim klettern zuschauen. In diesem Versuch konnte ich den Umlenker klippen und war sehr stolz. Zum einen hatte ich lange kein Flow-Gefühl mehr in einem Projekt, zum anderen schaffte ich es, trotz mangelnder Zeit Gelassenheit zu bewahren. Die Begehung haben wir anschließend mit einer Lasagne im Refugio Kalandraka gefeiert.


Florida 8C, Foto: Miguel Navarro Perez

Trotz der langen Zeit, die wir in Rodellar verbrachten, hatten wir das Gefühl, dass alles viel zu schnell vorbeiging und wir noch nicht bereit waren, wieder nach Deutschland zurück zu fahren. So geht es mir jedes Jahr an diesem Ort. Wir freuen uns schon darauf, nächstes Jahr wiederzukommen!


Alle hatten einen Hund, nur ich nicht